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Channel: Südafrika – Reisedepeschen
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Zu Fuß im Krüger Nationalpark

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Mit wirren Gedanken im Kopf und seltsamen Geräuschen im Ohr finden wir dann doch noch ein bisschen unruhigen Schlaf. Pünktlich vor Sonnenaufgang werden wir dann brutal von Ägyptischen Gänsen geweckt. Die pfeifen und flöten nicht so wie jeder normale Vogel. Nein, diese kreischen und tröten eher so, als ob ihr Schnabel eine einzige Vuvuzela wäre. Und die Viecher fliegen auch nicht nur eine Runde über unser Camp, sondern machen so lange weiter mit dem ohrenbetäubenden Lärm, bis auch der Letzte verschlafene Wildling aufgewacht ist. Auf jeden Fall ein effektiver Wecker.

Nach und nach purzeln wir aus unseren eleganten Schlafgemächern. Recken uns. Strecken uns. Lamentieren über die Geräusche der Nacht. Und tatsächlich: Das Keckern und Schnauben ist nicht nur die Ausgeburt Thilos und meiner nächtlichen Wahnvorstellungen. Die anderen haben ebenfalls dasselbe vernommen. Und dann finden wir den Beweis. Keine fünf Meter von unseren Zelten entfernt haben sich tatsächlich des nachts ein paar Hyänen entlang geschlichen. Haben herumgeschnüffelt und uns alle in Angst und Schrecken versetzt. Dabei wollten die hässlichen Tierchen wahrscheinlich bloß auskundschaften, welches andere Tier so lustige bunte (Zelt-)Höhlen baut. Nach der Verwirrung kehrt die Anspannung wieder deutlich spürbar zurück. Der König der Löwen ist real. Und wir sind nicht nur Zuschauer.

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Wir packen heute nur feinstes aufbereitetes Flusswasser und ein bisschen Fresschen ein. Lassen das Camp zurück und gehen auf Erkundungstour. Ziel ist eine Quelle, die hoffentlich etwas landeinwärts zu finden ist. Denn durch die andauernde, bedrohliche Trockenheit schrumpfen die Wasservorräte des Kruger Parks auf ein Minimum zusammen. Wir stiefeln los. Wayne vorne. Hält sein Gewehr nach rechts. Dahinter F.W. hält sein Gewehr nach links. Dahinter wir Schützlinge. Wir dringen tiefer in den Mopanebusch vor. Folgen einem von Hippos ausgetrampelten Pfad. Auch viele andere Tiere machen Gebrauch von dieser Buschautobahn, um entweder zum Fluss oder zu saftigen Wiesen zu gelangen. Neben Impala-, Nyala-, Kudu-, Zebra- und Steenbokspuren kommen nun auch allerlei Schuhabdrücke hinzu. Wir folgen dem Pfad immer tiefer hinein in die Mopanebuschlandschaft. Mopanebaum links, Mopanebaum rechts. So geht das eine ganze Zeit lang. Dann treffen wir auf eine Reihe anderer Bäume. Wayne hält uns urplötzlich zurück. Unter den schattenspendenden Riesenbäumen hat es sich eine Büffelfamilie bequem gemacht. Wir versuchen unerkannt zu bleiben. Aber der Wind schlägt uns ein Schnippchen. Nimmt unseren Geruch mit und führt ihn direkt in die sensiblen Näschen der bulligen Tiere. Wie von der Tarantel gestochen, pesen die großen und kleinen Büffel von dannen. Hoffentlich finden sie bald ein neues, schön schattiges Plätzchen. Denn es ist zwar noch früh am morgen, aber die Sonne brennt jetzt schon erbarmungslos.

In einem ausgetrockneten Flussbett machen wir eine Frühstückspause. Thilo und ich waren so geistreich, für den ganzen Trip lediglich zwei ausgewaschene Joghurtbehälter mitzunehmen. Und die sind nun mit den Resten des Abendessen (Nudeln mit roter Soße) belegt, dass unser Mittagessen (Nudeln mit roter Soße) werden soll. Ergo können wir unsere Haferflocken nicht mit Wasser mischen. Und ohne Wasser wäre das ein ziemlich staubiges, trockenes Frühstück, das uns schlicht im Hals stecken bleiben würde. Schade. Es wäre auch zu schön gewesen, wenn wir an alles gedacht hätten. So begnügen wir uns also mit einer äußerst abgespeckte Version unseres Powermüsils: Je eine Birne und ein sich schon verflüssigender Schokoladenkeks. Gestärkt (oder auch nicht) für den Tag, machen wir uns wieder auf. Bleiben nun nahe dem ausgetrockneten Flussbett, das ringsum von großen schattigen Bäumen und nicht nur von kleinen mickrigen Mopanebüschen gesäumt wird. Wir lesen Spuren von Schildkröten, Elefanten, Springhasen, Honigdachsen und Stachelschweinen. Wir sind aufgeregt, denn am liebsten möchten wir auch die dazugehörigen Tiere erspähen. Das erste finden wir auch ziemlich schnell. Eine kleine Leopardschildkröte tapert ganz seelenruhig vor uns auf dem Hippopotamuspfad entlang. Zwar ist die Entdeckung noch nicht ultraspektakulär, aber sehr niedlich und nah und ziemlich wild.

Wir kommen näher zur gesuchten Quelle. Wayne macht uns lautlos auf besonders wilde Spuren aufmerksam. Diesmal nicht wieder von einer Leopardschildkröte. Vielmehr von einem waschechten Leopard! Gebannt folgen wir der Spur ein kleines Stück. Dann geht alles blitzschnell. Wayne hält uns an. Dann sehen wir, wie ein quicklebendiger, kräftiger Leopard etwas erschrocken, aber dennoch leichtfüßig, von seinem Beobachtungsposten herunterspringt und fluchs in den umgebenden Büschen verschwindet. Unsere Herzen pochen arg. Wayne bedeutet uns zu loszurennen. Hinfort mit der allerwichtigsten und obersten Regel? Die Nerven flattern. Kurze Sprintaktion. Mopaneäste schlagen uns ins Gesicht und Akazien kratzen uns die Beine auf. Die Herzen pochen noch ärger. Wir rennen und rennen. Tatsächlich rennen wir aber nicht weg vom Leopard. Das wäre wirklich dumm und töricht. Wir rennen ihm hinterher, um vielleicht noch einen weiteren Blick oder ein cooles Foto von dem scheuen, schönen Tier zu erhaschen. Nach einer 300m Sprintdistanz müssen wir uns aber geschlagen geben. Der Leopard hat uns schon um Längen abgezogen.

Wir schenken unserer Umgebung wieder alle Aufmerksamkeit. Über uns kreisen unzählige Geier. Mit jeden Schritt den wir nun tun, umhüllt uns ein schwerer, süßlicher Geruch. Der Geruch von etwas Totem. Die Geier sind also nicht wie im schlechten Cartoon wegen uns hier. Der Grund für ihre Anwesenheit und den üblen Geruch ist ein Elefantenkadaver. Der Dickhäuter ist wohl vor ein paar Tagen zu Grunde gegangen. Jetzt wird er nachts wohl von Leoparden, Löwen, Hyänen und Wildhunden angenagt und tagsüber von Geiern zerpickt. Wir wenden uns ab. Entfernen uns viele Meter und gehen wie der Leopard auf Beobachtungsposten. Wir finden sogar einen umgestürzten Baum, der uns als komfortable Rückenstütze dient. Jetzt haben wir einen perfekten Blick auf die Quelle, die spärlich ein paar Wasserlöcher speist. Wirklich viel Wasser ist es nicht. Aber die Tiere müssen ja saufen. Wir glauben unsere Chancen stehen folglich gut, wilde Flauschigkeiten zu beobachten. Ein Impala traut sich heran. Bemerkt uns. Beobachtet uns. Das doofe Ding beschließt dann, dass wir Gefahr darstellen und blökt mehrere Minuten lang seinen eindringlichen Warnruf. Bööööööhööö. Jetzt denkt wohl jedes Tier im Umkreis von drei Kilometern, dass es an der Quelle momentan nicht sicher ist. Dementsprechend verlaufen dann auch unsere weiteren Beobachtungen. Unereignisreich. Unspannend. Wir schlafen ein. Alle. Wir wären auf jeden Fall ziemlich schlechte Leoparden. Vielleicht bessere Löwen. Weil die schlummern ja immerhin mindestens 20 Stunden am Tag. Und verpassen so wahrscheinlich auch den ein oder anderen Leckerbissen.

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Nach dem kleinen Schläfchen bläst Wayne zum Rückzug. Wir schlagen einen anderen Weg ein, der uns zurück zum Camp führen soll. Es geht schnurstracks durch die vielen Mopanebäume, die alle gleich aussehen. Würde man mich mit geschlossenen Augen im Kreis drehen und mich dann fragen aus welcher Richtung wir gekommen sind und in welche wir jetzt gehen müssten, würde ich wahrscheinlich anfangen zu heulen. Aber Wayne und F.W. haben in der Guideschule gut aufgepasst. Konzentriert, zielsicher und ohne zu zögern navigieren sie uns auch ohne Hippopfad durch die Buschlandschaft. Nach einer Weile halten wir an. Wayne macht uns mit den hiesigen Spinnenarten bekannt. Deutet auf die Eier der Black Button Spider (auf deutsch besser bekannt als gemeingefährliche Schwarze Witwe). Zeigt uns die ebenso bedrohliche Schwester, die Brown Button Spider. Eine weitere Spezies, die Golden Orb Web Spider, hört sich vielleicht ein bisschen hübscher an, spannt aber immens große Netze zwischen den Mopanebäumen. Ein Wunder, dass sich darin noch niemand von uns verfangen hat. Ziemlich angeekelt und wieder ordentlich unter Strom, staksen wir weiter hinter unseren beiden Wildnisgurus her. Ab jetzt immer ein wachsames Auge auf die Äste samt der Spinnen die uns streifen könnten.

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Wir nehmen anschließend noch einen abnormal großen Termitenhügel unter die Lupe und dann hab ich auch wirklich genug von krabbeligen Getier. Ich halte lieber Ausschau nach flauschigen Säugern. In der Ferne blitzen immer mal wieder Giraffen zwischen den Bäumen hervor. Man sieht hier und dort ein paar Büffelbeine. Kleine Impalas springen umher. Dann kommt unser Camp in Sicht. Punktlandung. Die Pfadfinderfähigkeiten der Guides sind unglaublich beeindruckend.

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Schnell werfen wir uns ins Badeoutfit und hechten hinein ins kühle Nass, dass wir ja schon am Tag zuvor ausgekundschaftet hatten. Es tut gut, die Schweiß-Dreck-Kruste abzuwaschen. Es tut gut, die Wasservorräte wieder aufzustocken. Wir entspannen. Bis auf Thilo. Der hat immer noch Hummeln im Hintern und will ein paar Krokodile aufscheuchen. Die Suche beginnt. Im Wassertümpel zu unserer Linken sind auf jeden Fall viele Steine zu sehen. Die starren wir ein bisschen an. Dann unterhalten wir uns kurz. Starren weiter. Einer der Steine ist weg. Das ist ziemlich beunruhigend. Denn uns dämmert, dass das definitiv kein Stein war. Krokodilaufscheuchung erfolgreich. Gechilltes Plantschen ist jetzt aber eindeutig vorbei. Wir retten uns an Land und tun es all den Tieren um diese Uhrzeit gleich: in den Schatten legen und eine Kleinigkeit mümmeln.

Nach der verdienten Ruhepause steht der Nachmittagsspaziergang an. Wayne und F.W. entführen uns wieder in die Wildnis. Es sind ein paar Säuger unterwegs, aber die Guides wollen lieber mit ihrem Wissen über die Vogelwelt prahlen. Wayne hat schon einen kleinen Schwarm von acht bis zehn schwarz-roter Vögel entdeckt, als wir noch links und rechts auf etwaige gefährlich werdende Spinnen achtgeben. Er beschreibt diese lustigen Vögel als die größten Mobber der gesamten Tierwelt. Ihr Opfer: ein kleiner dicklicher Perlkauz. Und um uns die ganze Show zu präsentieren, imitiert Wayne den verhassten Buhmann. Schiep Schiep Schiep Schieeeep Schieeeep Schieeeep flötet er da vor sich hin. Und tatsächlich. Um dem vermeintlichen Perkäuzchen wegzumobben und zu verscheuchen, kommt die gehässige Vogelgang angeflogen. Nach drei weiteren Flötimitationen sitzen sie auf dem Baum über uns und schauen verwirrt drein, weil das stinkige Käuzchen nirgendwo zu entdecken ist. Das Nachsingen war also nahezu perfekt. Was leider zur Folge hat, das nun andere, echte Perlkäuze antworten. Sich somit verraten. Sofort schwirrt die Mobbinggang ab, um die echten Käuze zu vergraulen. Nach ein paar Augenblicken können wir beobachten, dass eine kleine dickliche Kugel mit Flügeln durch die Baumkronen bricht. Dicht gefolgt von einer Horde gemeiner Vögelchen, die aufgeregt schimpfen. Mobbing ist also auch in der Tierwelt ein reales Problem.

Der Ornithologenkurs geht weiter. Wayne und F.W. zeigen uns Vögel, die alle gleich braun-gräulich-schwarz aussehen. Sprechen von kunterbunten Eisvögeln und blau-rosa-schimmernden Racken. Wie kneifen ungläubig die Augen zusammen. Die Profis schauen durchs Fernglas. Die Opfer, die keins dabei haben, geben sich still und heimlich mit dem Kamerazoom zufrieden. Tatsache. Die Ornithologen haben recht. Bunte Vögel weit und breit. Wenn man es weiß und wahrnehmen kann, eine wirkliche Augenweide.

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So viel neuer Input. Das Laufen. Die Hitze. Das spärliche Frühstück und das magere Mittagessen lassen uns hungrig und erschöpft zum Camp zurückwanken. Jeder brutzelt wieder etwas für sich, bei allen geht es fix. Nur Thilo und ich kommen mit unserem Gaskocher und Superaufsatz heute nicht klar. Blöderweise haben wir auch ungereinigtes Flusswasser in den Topf gekippt, sodass Aufkochen ein absolutes Muss ist. Es will aber einfach nicht blubbern. Eine geschlagene Stunde (die sich definitiv nach einer elendigen Unendlichkeit anfühlt) müssen wir warten. Ich bin kurz davor mir die Nudeln samt durchfallgarantierendem Algenwasser einzuverleiben. Auf die Idee, dass es am Wind liegen könnte, der uns das Gas wegweht kommen wir erst zu guter Letzt. Dann ist es endlich so weit. Wir stopfen unsere hungrigen Mäuler. Mit was? Überraschung. Nudeln mit roter Soße.

Gestärkt können wir Überlebenslaien uns jetzt als wilde Überlebenskämpfer beweisen. Nur mit zwei Feuersteinen und ein bisschen Elefantenkacke sollen wir ein Feuer entfachen. Thilo nimmt die Herausforderung an. Wie ein Berserker kloppt er mit den Steinen aufeinander. Etliche Funken fliegen auf. Sein vor Anstrengung fast wahnsinnig verzerrtes Gesicht wird immer wieder kurz erleuchtet. Dann fällt der entscheidende Funke. Entzündet den trockenen Scheißhaufen. Durch ein bisschen Pusten entstehen nun Flammen. Thilo wirft noch ein paar Stöcke hinterher. Et voila. Das Feuer brennt, jetzt können wir ein Kudu jagen gehen. Vor mir steht ein stolzer Buschmann. Das einzige Weibchen in der Truppe ist völlig verzückt.

Später legen wir uns in die Pofe. Sterbensmüde. Bloß die Ohren nicht. Die machen sich groß und weit. Nehmen abermals alle seltsamen, ungewohnte und gruseligen Geräusche auf. Da kann auch ein frisch gebackener Buschmann nicht mehr ruhig schlummern. Das Ego bröckelt in der Dunkelheit dahin. Die Daueraufregung brodelt dafür wieder richtig in uns hoch. Wer wird diesmal unser Camp näher betrachten und beschnüffeln wollen? Haben die Raubtiere gar noch was anderes vor? Kann so ein Leopard vielleicht sogar einen Zeltreissverschluss bedienen?


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